Die Mobile Raketenbasis (MORABA) des DLR Oberpfaffenhofen und die Bayern-Chemie haben am 13.11.2023 erfolgreich einen Testflug mit einer einstufigen Höhenforschungsrakete im norwegischen Andøya durchgeführt. Dabei wurde erstmals der von der Bayern-Chemie entwickelte Red Kite Feststoffraketenmotor eingesetzt.
Der Start der Rakete erfolgte problemlos und der Red Kite Motor brannte nach ca. 12,7 Sekunden aus. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Rakete bereits auf einer Höhe von 10 Kilometern und erreichte eine Geschwindigkeit von 1430 m/s, was einer Machzahl von 4,8 entspricht. Die weitere Aufstiegsbahn erfolgte antriebslos und die Rakete stieg bis zu einem Scheitelpunkt von über 71 Kilometern Höhe auf. Die nachfolgende Abstiegsphase war nach ca. 260 Sekunden Flugzeit beendet. Die Entfernung vom Startpunkt betrug 58,8 km. Der Red Kite Motor hat von Start bis Brennschluss erfolgreich funktioniert und die Rakete auf die gewünschte Flugbahn gebracht. Damit ist der Raketenmotor flugqualifiziert, hat das TRL 9 erreicht und die Red Kite Motoren können in Serienproduktion gehen.
Dr. Wolfgang Rieck freute sich sehr über den erfolgreichen Test: „Respekt und Gratulation an das Projektteam rund um Markus Kuhn für diese Topleistung. Wir sind alle stolz auf den gemeinsamen Erfolg und freuen uns darauf, die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem DLR in der Serienfertigung fortzusetzen.“
Die Entwicklungsphase des Red Kite Feststoff-Raketenmotors begann 2020 und wurde im September 2023 abgeschlossen. Dazu fanden finale Qualifikationsabbrände bei Esrange in Kiruna, Schweden statt. Die Abbrände umfassten zwei gleiche Motoren, die vorher einige Tage auf die Grenzen ihres späteren Einsatzspektrums temperiert worden waren. Diese liegen bei -20 °C und +50 °C, womit der Motor sowohl im harschen arktischen Klima als auch in der trocken heißen Umgebung australischer oder amerikanischer Launch Ranges problemlos eingesetzt werden kann. Für den Feststoff-Raketenmotor wurde dafür ein neuer Treibstoff entwickelt, der den kundenseitigen Anforderungen gerecht wird. Darüber hinaus war auch die Entwicklung der Düse eine herausfordernde Aufgabe, die erfolgreich gemeistert wurde. Weiterhin verwendet der Motor einen neuartigen Anzünder, der mit einem sogenannten Safe and Ignition Device (SID) ausgestattet ist und einen deutlich sichereren Betrieb ermöglicht.
Der komplett ITAR-freie Red Kite Motor hat einen Durchmesser von 559 Millimeter (22 inch), eine Länge von ca. 3,5 Metern und wiegt ungefähr 1200 Kilogramm. Er wurde primär für den Einsatz als Boosterstufe von mehrstufigen Forschungsraketen konzipiert, kann aber auch als Zweitstufe eingesetzt werden. Circa 900 Kilogramm Komposittreibstoff brennen innerhalb von ca. 12 Sekunden ab und liefern den für Forschungsraketen notwendigen, hohen Startschub von etwa 240 Kilonewton. Dies macht den Motor neben den üblichen Einsatzgebieten Atmosphärenforschung, Astronomie und Schwerelosigkeitsexperimenten auch für die Hyperschallforschung sehr interessant.
„Wir freuen uns über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Bayern-Chemie. Mit Red Kite steht der internationalen Forschungsgemeinschaft nun ein neuer, leistungsstarker Raketenmotor für Höhenforschungsmissionen zur Verfügung“, sagt Dr. Anke Pagels-Kerp, DLR-Bereichsvorständin Raumfahrt, anlässlich des Erstflugs. „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen – wie der Forschung unter Schwerelosigkeit, Atmosphärenphysik, Über- und Hyperschalltechnologien oder neuen Raumfahrttechnologien – haben jetzt verbesserte Möglichkeiten, Höhenforschungsraketen als kostengünstige und flexible Forschungs- und Erprobungsplattform zu nutzen.“
Das einstufige SOAR Raketensystem hat eine Länge von fast 7 Meter und ein Gesamtgewicht von knapp 1.600 Kilogramm. Hauptaugenmerk der Mission liegt auf der Flugqualifizierung des Red Kite Motors. Als wissenschaftliche Nutzlast von SOAR (Single Stage Operational Assessment of Red Kite) diente das DLR-Flugexperiment APEX-TD (Airbreathing Propulsion Experiment – Technology Demonstrator), bei demTechnologien künftiger Überschallantriebssysteme untersucht werden sollen.
Sowohl beim Auf- als auch Abstieg konnten strömungsmechanische Kenngrößen im Einlauf- und Brennkammerbereich eines luftatmenden Scramjets gemessen werden. Durch diese Flugmessdaten wird eine Validierung entsprechender Simulationen und Experimente in Bodentestanlagen möglich.
(Thomas Haslinger, Markus Kuhn BC)